Benchmark
Der Begriff ,,benchmark“ kommt ursprünglich aus dem Vermessungswesen und bezeichnet eine Vermessungsmarkierung bzw. einen Bezugspunkt, von dem aus etwas gemessen und beurteilt wird.
Ursprung und Gegenstand der Methode Benchmarking
Benchmarking ist das Vergleichen und Messen der eigenen Produkte, Prozesse und Dienstleistungen mit „Best-Practice-Unternehmen“, d.h. den besten Wettbewerbern oder anerkannten Marktführern, um aus diesem Vergleich zu lernen. Ziel ist es, die besten Methoden zu verstehen und für das eigene Unternehmen anzupassen. Dabei geht es nicht um eine Analyse der Wettbewerber und deren Produkte, sondern um die Suche nach neuen Methoden, Werkzeugen, Erfolgen und Ansätzen. Dieses Vorgehen leitet sich aus der Erkenntnis ab, dass sich Verbesserungspotenziale in unternehmerischen Prozessen auch durch den Vergleich der eigenen Ansätze mit denen anderer Unternehmen ermitteln lassen, wobei sich die Vergleichsunternehmen durch ein Spitzenniveau in den zu vergleichenden Parametern auszeichnen sollen.
Benchmarking entstand seit Ende der 1970er Jahre in den USA. Vor allem das Unternehmen Xerox entwickelte Benchmarking als eine neue und leistungsstarke Managementmethode, mit der Wettbewerbsvorteile erreicht werden können. In Europa verbreitete sich Benchmarking seit Ende der 1980er Jahre. Theoretische Arbeiten und praktische Anwendung nahmen speziell in Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre in starkem Maße zu.
Robert C. Camp gibt folgende Arbeitsdefinition für Benchmarking: „Benchmarking ist die Suche nach den besten Industriepraktiken, die zu Spitzenleistungen führen.“
Aus den vielen unterschiedlichen Definitionen des Begriffes Benchmarking, die in der Fachliteratur vorgestellt und diskutiert werden, lassen sich folgende wichtige Kernpunkte herausfiltern:
- Systematischer Leistungsvergleich anhand objektiver Leistungskriterien
- Identifikation der ,,best practices“
- Stärken-/Schwächenanalyse
- Definieren von Zielen und Durchführung entsprechender Maßnahmen
Um sicher zu stellen, dass die gewünschten Informationen aus den richtigen Quellen kommen, ist eine sorgfältige Planung der Benchmarkingaktivitäten Voraussetzung. Die beste Vorgehensweise, um die angestrebten Informationen zu erhalten, ist eine schrittweise Durchführung und Detaillierung der Untersuchung. Camp schlägt dazu vor, zunächst Fragebögen zu benutzen, dann Firmenbesuche durchzuführen und schließlich fortgeschrittene Techniken wie Diskussionsrunden mit Benchmarkingpartnern einzusetzen.
Benchmarking geht über die bekannten Unternehmens- und Betriebsvergleiche, Wettbewerbsbeobachtungen und Reverse Engineering hinaus, da es sich nicht nur auf die Produkte konzentriert, sondern auch die Dienstleistungen und vor allem die Wertschöpfungsprozesse mit einbezieht.
Zur Durchführung eines Benchmarking bedarf es einer systematischen Vorgehensweise zur Auswahl der Benchmarkingpartner und der zu untersuchenden Prozesse sowie zur Nutzung der gesammelten Informationen im eigenen Unternehmen.
Um die vielseitigen Möglichkeiten von Benchmarking darzustellen, soll im folgenden Kapitel näher auf die verschiedenen Benchmarkingarten, -instrumente und einen möglichen Benchmarkingprozess eingegangen werden.
Die vier Arten des Benchmarking
Unterschieden werden vier Arten des Benchmarking. Das interne, das externe sowie funktionales und generisches Benchmarking.
Internes Benchmarking
Das Vergleichen und Analysieren von Prozessen zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens bzw. Konzernteilen, Abteilungen wird als internes Benchmarking bezeichnet.
Internes Benchmarking ist einfach durchzuführen, da innerhalb des eigenen Unternehmens die relevanten Daten leicht beschafft werden können und Vertraulichkeitsprobleme nicht auftreten. Zudem sind die Daten und Informationen direkt für den Vergleich mit dem eigenen Bereich geeignet, da sie aus dem selben Unternehmen stammen und eine Übertragbarkeit der gewonnen Erkenntnisse leicht möglich ist.
Internes Benchmarking dient meist zur Vorbereitung externer Benchmarks, denn in einer internen Datenerhebung und Auswertung kann zum einen die Analyse von Unterschieden vorbereitet werden und zum anderen können Schwerpunkte für die Untersuchung externer Praktiken definiert werden. Zugleich misst und dokumentiert man bei einem internen Benchmarking die aktuellen Praktiken und Abläufe, sowie deren Leistung im eigenen Unternehmen. Es werden die gemeinsamen Elemente ähnlicher Tätigkeit ermittelt und diejenigen isoliert, die standardisiert sein sollten, es aber nicht sind. Hieraus ergeben sich dann erste Gesprächsrunden darüber, was und warum es zu verbessern ist. So kann über die interne Analyse eine Grundlinie über alle Unternehmensbereiche definiert werden, die als Grundlage für ein externes Benchmark dient. Große Prozessverbesserungspotenziale lassen sich durch internes Benchmarking meist nicht feststellen, da sich die Prozesse und Produkte innerhalb eines Unternehmens stark ähneln. Es ist aber möglich innerhalb des Unternehmens einen Best-Practice-Bereich zu ermitteln und diesen intern als Benchmark für andere Unternehmensbereiche festzulegen. Interne Benchmarks verbreiten zudem das Verständnis für Benchmarking im Unternehmen und erhöhen so die Akzeptanz dieser Methode. Zudem entstehen im Rahmen der internen Benchmarkingaktivitäten neue Kontakte zwischen Mitarbeitern des Unternehmens, die zukünftig die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensbereiche verbessern und Barrieren abbauen können.
Externes Benchmarking
Externes Benchmarking bietet den Vorteil des Vergleichens mit Praktiken und Technologien anderer Hersteller, die sowohl direkte Wettbewerber, aber auch branchenähnliche Unternehmen sein können. Voraussetzung ist die exakte Festlegung des Themas und des relevanten Informationsbedarfs. Damit externes Benchmarking funktioniert, muss die Gegenseitigkeit berücksichtigt werden, d.h. dass auch das Unternehmen, das Gegenstand der eigenen Untersuchungen ist, einen Nutzen aus dem Benchmark ziehen kann, in dem es z.B. relevante Prozesse im eigenen Unternehmen untersuchen darf. Die Datenbeschaffung könnte sich aufgrund der Vertraulichkeit und der Wettbewerbsrelevanz, die ihnen zugemessen wird, schwierig gestalten. Eventuell werden die Daten verfälscht, woraus sich Fehleinschätzungen ergeben können. Bei dem Vergleich von Prozessen ist darauf zu achten, dass eine Vergleichbarkeit vorliegt. Schon durch unterschiedliche Unternehmensgröße kann eine direkte Übertragbarkeit eingeschränkt sein.
Externes Benchmarking ist auch unter den Begriffen wettbewerbsorientiertes oder competitive Benchmarking bekannt.
Funktionales Benchmarking
Beim funktionalen Benchmarking wird eine spezielle Unternehmensfunktion, z.B. die Logistik, branchenintern und branchenextern mit Spitzenleistungen anderer Unternehmen (Best in Class) in dieser Unternehmensfunktion vergleichen. Wichtig ist, dass die verglichenen Funktionen ähnliche Charakteristiken aufweisen wie die des eigenen Unternehmens, um eine Übertragbarkeit sicherzustellen. Funktionales Benchmarking bietet den Vorteil, dass die Bereitschaft zum Datenaustausch zwischen Unternehmen hier meist höher liegt als beim Produktbenchmarking. Dies ist darauf zurückzuführen, dass auch beim Partner Interesse daran besteht, Verfahren kennen zu lernen und zu verstehen, die anderswo angewandt werden. Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass Methoden aus anderen Branchen bereitwilliger akzeptiert werden, da die Untersuchungen auf einer objektiveren Basis angegangen werden. Aus der „erfindungsreichen Kombination und Anwendung“ der beobachteten Methoden und Verfahren ergibt sich hier die angestrebte Spitzenleistung.
Generisches Benchmarking
Das generische Benchmarking umfasst alle Bereiche und Prozesse eines Unternehmens. Dazu werden betriebliche Funktionsbereiche betrachtet, die in einer großen Zahl von Branchen und unterschiedlichen Unternehmen vorgefunden werden. Aus der vorgefundenen Vielfalt von Lösungen und Konzepten ergeben sich meist Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung und für innovative Lösungen. Schwierigkeiten resultieren hier aus der fraglichen Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse.
Benchmarkingprozess
In der Literatur werden verschiedene Vorgehensweisen zur Durchführung von Benchmarking-Studien diskutiert. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Phasen und Abläufe im Prozess.
Camp schlägt einen fünfphasigen Prozess vor, der die Planungsphase, Analysephase, Integrationsphase, Umsetzungsphase und eine Reifephase enthält.
Exemplarisch wird hier ein Prozess nach Sabisch und Titelnot ausführlich vorgestellt, der ein Vorgehen in vier Phasen beinhaltet, dass sich in zehn Arbeitsschritte gliedert. Dieses Ablaufmodell ist nachfolgend dargestellt und wird anschließend in Anlehnung an die Ausführungen der Autoren näher erläutert.
Benchmarkingprozess als Ablaufmodell
Als Basisschritt „0“ wird die Informationsbeschaffung und Verarbeitung über den gesamten Benchmarkingprozess definiert. Dieser bestimmt maßgeblich Niveau und Erfolg der Benchmarkingaktivitäten. Die erste Prozessphase ist die Projektplanung. Sie beinhaltet die Arbeitsschritte Problemerkenntnis und Problemanalyse (Arbeitsschritt 1), sowie die Planung des Benchmarkingprojetks (Arbeitsschritt 2). Die Problemerkenntnis und Problemanalyse ist der Ausgangspunkt des Benchmarking. Hier werden die Kernprobleme des Unternehmens identifiziert und detailliert beschrieben, die für die Weiterentwicklung des Unternehmens die wichtigsten Verbesserungsaufgaben darstellen. In der Problemanalyse wird der Ist-Zustand im Unternehmen charakterisiert und eine erste Zielstellung zur Veränderung der Situation in einen neuen Sollzustand abgeleitet. Je gründlicher die Problemanalyse ausfällt, desto gezielter lässt sich im Benchmarking nach den nötigen Veränderungen fragen.
Im zweiten Arbeitsschritt, Planung des Benchmarkingprojekts, müssen das zu vergleichende Benchmarkingobjekt und die zu erreichenden Ziele festgelegt werden. Wichtig ist in dem Zusammenhang die Definition der Messkriterien und Maßstäbe für das Benchmarking. Projektverantwortliche und Projektteam werden bestimmt, der Projektablauf geplant und die inhaltlichen Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten zur internen und externen Informationsbeschaffung festgelegt. Wichtigster Teilaspekt dieses Arbeitschrittes ist die Gewinnung von geeigneten Benchmarkingpartnern.
Die zweite Phase des Benchmarkingprozesses wurde von den Autoren „Bewertung“ benannt. Bewertung schließt in diesem Zusammenhang die „Messung der Bewertungskriterien für das Objekt im eigenen Unternehmen sowie für die in den Vergleich einbezogenen Referenzobjekte mit ein“. Inhalt der Phase Bewertung ist die Vorbereitung der Messung und Bewertung, die Messung und Bewertung der eigenen Leistung im Unternehmen sowie die Messung und Bewertung vergleichbarer Lösungen und Ermittlung von Bestlösungen.
Der Arbeitsabschnitt Vorbereitung der Messung und Bewertung umfasst drei Arbeitsinhalte:
- Auswahl der Vergleichsobjekte, d.h. beim wettbewerbsorientierten Benchmarking sind sowohl führende Konkurrenten als auch Unternehmen mit Bestleistungen in einzelnen Bewertungskriterien mit zu berücksichtigen. Beim generischen Benchmarking ist darauf zu achten, Bestlösungen für einzelne Funktionen in den Vergleich einzubeziehen.
- Auswahl der Bewertungskriterien auf Grundlage der Problemanalyse.
- Sicherung der Vergleichbarkeit der Objekte, wobei die hinreichende Definition und Begrenzung des Leistungsumfangs der zu vergleichenden Objekte im Vordergrund steht und ein kohärenter Vergleichszeitraum sicherzustellen ist.
Der vierte Arbeitsabschnitt des Benchmarkingprozesses behandelt die Messung der eigenen Leistung im Unternehmen als Basis für den Vergleich mit den Bestleistungen anderer Unternehmen. Dieser Abschnitt kann sehr umfangreich ausfallen, wenn bisher keine Analysen der eigenen Produkte bzw. Prozesse vorliegen. Eine gründliche Eigenanalyse ist unerlässlich zur Erschließung der notwendigen Reserven für eine Leistungsverbesserung.
Die Messung und Bewertung vergleichbarer Leistungen und Ermittlung von Bestlösungen nimmt als fünfter Arbeitschritt eine zentrale Rolle im Benchmarkingprozess ein. Hier erfolgt die Messung und Bewertung der Leistung der Benchmarkingpartner sowie die Ermittlung von Bestlösungen.
Zielbestimmung der Verbesserung, die dritte Benchmarkingphase, umfasst die Analyse und Vorschau der Leistungsentwicklung sowie die Zielbestimmung und Planung der Leistungsverbesserung. Die Analyse und Vorschau der Leistungsentwicklung (Arbeitsschritt 6) beinhaltet die Prognose der zukünftigen Weiterentwicklung der identifizierten Bestlösungen, da die darin identifizierten Leistungen dynamischen Charakter besitzen. Die Autoren schlagen daher das Aufstellen von Zeitreihen für die bisherige Leistungsentwicklung und die Ermittlung von Einflussfaktoren auf die zukünftige Leistungsentwicklung vor. Des Weiteren sollten Entwicklungstrends und Gesetzmäßigkeiten für wichtige Leistungsparameter aufgedeckt werden und Leistungslücken bzw. Wettbewerbsvorteile des eigenen Unternehmens ermittelt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Analyse der Ursachen für die auftretenden Leistungsunterschiede.
Im Arbeitsabschnitt 7, der Zielbestimmung und Planung der Leistungsverbesserung werden aus den bisherigen Arbeitsergebnissen konkrete Ziele für die Leistungsverbesserung abgeleitet, indem eine Bewertung der alternativen Wege zur Leistungsverbesserung und eine kritische Auseinandersetzung der Ergebnisse des Benchmarking erfolgen. Ermittelte Bestlösungen müssen auf die Situation des eigenen Unternehmens adaptiert und deren Umsetzung in anspruchsvollen Zielstellungen als Arbeitsaufgaben definiert werden.
Die Umsetzung der Benchmarking-Ergebnisse bildet die vierte und letzte Phase des vorgestellten Benchmarkingprozesses nach Sabisch und Titelnot. Inhalt sind die Implementierung der in Arbeitsabschnitt 7 ermittelten Zielvorgaben sowie die kontinuierliche Weiterführung des Benchmarking. Die Implementierung der Zielvorgaben sollte unter Einbeziehung aller Beteiligten erfolgen und dabei die Entwicklung eines Implementierungsplanes, d.h. die Festlegung von Projekten und Schulung der betreffenden Mitarbeiter sowie der Aufbau eines effizienten Umsetzungscontrollings durchgeführt werden.
Die Sicherung dauerhafter Lerneffekte und die Ausschöpfung der im Benchmarking liegenden Verbesserungspotenziale werden erst durch eine kontinuierliche Weiterführung des Benchmarking ermöglicht. Aus diesem Grund ist dies der Gegenstand des letzten Arbeitsabschnitts im Benchmarkingprozess. Hier soll die Weiterführung der Untersuchungen und ständige Aktualisierung der erstellten Analysen angestrebt werden.